*** Für ALLE, die gedankenlos zu Vitaminzusätze greifen *** Ohne Vitamine läuft…

Picture of Claudia Scheider-Hofmann

Claudia Scheider-Hofmann

*** Für ALLE, die gedankenlos zu Vitaminzusätze greifen ***

Ohne Vitamine läuft gar nichts. Unser Stoffwechsel käme zum Erliegen, schon weil wir ohne sie Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate gar nicht verwerten könnten. Vitamine sind an unzähligen Vorgängen im Körper beteiligt. Das Dumme ist nur, dass der Mensch im Laufe der Evolution die Fähigkeit verloren hat, sie selbst herzustellen. Er ist auf eine ausreichende Vitaminzufuhr über die Nahrung angewiesen.

Obwohl uns hier und heute Lebensmittel in einer Hülle und Fülle zur Verfügung stehen wie nie zuvor, lässt die Versorgung mit Vitaminen in einigen Fällen zu wünschen übrig. Laut der großen Nationalen Verzehrsstudie II, einer vom Max-Rubner-Institut in den Jahren 2005 und 2006 durchgeführten Befragung zur Ernährung von Jugendlichen und Erwachsenen, erreichen 80 bis 90 Prozent der Männer und Frauen nicht die empfohlenen Mengen an Vitamin D und Folsäure. Wird kein jodiertes Speisesalz verwendet, nehmen 96 bis 97 Prozent der Befragten zu wenig Jod auf. Außerdem gilt Calcium als kritischer Nährstoff, vor allem bei 14- bis 18-jährigen Mädchen sowie bei älteren Männern und Frauen über 65 Jahre. Kein Wunder also, dass uns findige Hersteller allerorten Vitaminpillen anbieten.

Wer rundum sorglos sein will, soll – so die Hersteller – gleich zum A-bis-Z-Präparat greifen, das nicht nur alle 13 Vitamine enthält, sondern gegebenenfalls auch noch Provitamin A (Betacarotin) und obendrein mehr als zehn Mineralstoffe, angefangen von Calcium und Magnesium bis hin zu den Spurenelementen Chrom, Kupfer und Selen.

Doch in jüngster Zeit mehren sich die Hinweise, dass die Vitaminpillen anscheinend sogar schaden können. Unter dem Titel Weniger ist mehr – Nahrungsergänzungsmittel und die Sterblichkeitsrate bei älteren Frauen hatten Wissenschaftler im Fachmagazin Archives of Internal Medicine die Daten von 38.772 Frauen ausgewertet. Diese waren zu Studienbeginn im Jahr 1986 durchschnittlich knapp 62 Jahre alt. Bis Ende 2008 waren 40 Prozent von ihnen gestorben. Dazwischen wurden sie dreimal zur Einnahme von Nahrungsergänzungen befragt. Das Ergebnis erschreckt zunächst; viele Supplemente erhöhten die Sterblichkeitsrate: Multivitamine um 2,4 Prozent, Zink um 3 Prozent, Eisen um 3,9 Prozent, Vitamin B6 um 4,1 Prozent, Folsäure um 5,9 und Kupfer gar um 18 Prozent.
Die Vitaminbefürworter entrüsteten sich. Die Aussagen seien „unseriös und wissenschaftlich so nicht haltbar“, stellte prompt die Gesellschaft zur Information über Vitalstoffe und Ernährung (Give) fest. Entscheidende Standards seien nicht eingehalten, auf eine umfassende und exakte Erfassung des Ernährungsstatus verzichtet sowie die Dosis und Formulierung der Wirkstoffe nicht angegeben worden. In der Tat lassen sich mit derartigen Studien keine ursächlichen Zusammenhänge nachweisen. Schwächen ihrer Studie nennen die Autoren selbst beim Namen. Sie räumen etwa ein, dass sie Vorteile wie eine verbesserte Lebensqualität durch die Supplemente nicht ausschließen können. Dennoch sorgen sich die Wissenschaftler um die langfristige Sicherheit und sehen nur wenig Rechtfertigung für den weitverbreiteten Gebrauch der Produkte.

Einen „weiteren Sargnagel für die Vitamin-E-Supplementation“ machte das Ärzteblatt MMW – Fortschritte der Medizin aus. In einer Studie hatte das fettlösliche Vitamin E das Risiko für Prostatakrebs bei gesunden Männern erhöht. Die Einnahme einer Kombination von Vitamin E plus Selen oder von Selen allein erhöhte das Risiko zwar nicht, verringerte es aber auch nicht. Allerdings wurden in der Studie sehr hohe Dosierungen gewählt: 400 Internationale Einheiten Vitamin E, das entspricht knapp 270 Milligramm (mg) sowie 200 Mikrogramm (µg) Selen. Hierzulande erhältliche Nahrungsergänzungsmittel enthalten meist um die 12 mg Vitamin E und um die 25 µg Selen.

Ende 2011 verkündete die Ärzte-Zeitung dann noch: „Vitaminpillen fördern Schlaganfall.“ Sie bezog sich auf australische Forscher, die unter anderem der Frage nachgegangen waren, ob sich mit den Vitaminen A, C und E Schlaganfällen vorbeugen lässt. Als Antioxidantien sollen sie schließlich freie Radikale und reaktive Sauerstoffverbindungen in den Gefäßen abfangen und so die Arterienverkalkung bremsen. Doch Pustekuchen: Bestenfalls wirkte sich die Einnahme überhaupt nicht auf die Schlaganfallrate aus, während in einigen kontrollierten Studien Vitamin A sogar die Sterberate erhöhte.

All diese Studien bestätigen, wovor ÖKO-TEST seit Jahren warnt. Betacarotin erhöhte bei Rauchern das Lungenkrebsrisiko, auch die Zahl der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Krankheiten stieg. Folsäure verringert nicht das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken – ganz im Gegenteil, bei Männern erhöht die Einnahme von Folsäure das Prostatakrebsrisiko. Und hoch dosiertes Selen scheint Diabetes zu begünstigen.

Da die Einnahme von Vitaminpräparaten nicht immer ohne Risiko ist, überprüft ÖKO-TEST grundsätzlich, ob ein Nutzen für die Anwender wissenschaftlich belegt ist. Für den aktuellen Test haben wir 42 Multivitaminpräparate mit und ohne Mineralstoffe eingekauft, von denen zehn speziell für Menschen über 50 Jahren („50+“) angeboten werden. Alle sind als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr.

Das Testergebnis

Kein Produkt ist eine Empfehlung wert. Die wenigsten erreichen mit Ach und Krach ein „befriedigend“. Zu hohe Dosierungen, fragwürdige Auslobungen und mangelnder Nutzen sorgen für die vielen „mangelhaften“ und „ungenügenden“ Gesamturteile.

Egal ob für die Generation 50+ oder die Allgemeinheit: Ein Nutzen von Multivitaminpräparaten für den gesunden Anwender ist nicht ersichtlich. Ihre volle Wirkung entwickeln Vitamine anscheinend nur im natürlichen Verbund eines Lebensmittels. Die in den Pillen enthaltenen Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen lassen sich leicht auch mit einer abwechslungsreichen Ernährung zuführen. Die Präparate können auch kein falsches Ernährungsverhalten ausgleichen.

Bis heute sind Höchst- und Mindestmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungen gesetzlich nicht geregelt. Nur wenige getestete Produkte halten die Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für Nahrungsergänzungsmittel ein. Den Vogel schießen die Supradyn Energy, Brausetabletten mit Orangengeschmack mit zwölf Überschreitungen ab. Besonders häufig überdosiert werden Betacarotin, Vitamin A, Niacin, Eisen, Zink, Kupfer und Mangan. Dabei sollten die Spurenelemente Eisen, Kupfer und Mangan laut BfR-Empfehlung in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nicht enthalten sein.

Die Naturafit ab 50, Kapseln enthalten mehr Selen als die vom BfR pro Tagesdosis vorgeschlagenen 30 Mikrogramm. Es stammt zudem aus Selenhefe, von deren Einsatz das BfR abrät.

Fragwürdige Auslobungen und Deklarationsmängel tragen ihr Übriges zum schlechten Abschneiden der getesteten Produkte bei. Als fragwürdig beurteilen wir Formulierungen, die für das Produkt als solches oder im Zusammenhang mit einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen auf die Gesundheit oder Gesunderhaltung von bestimmten Körperteilen oder -funktionen zielen. Derartige gesundheitsbezogene Angaben sind vielfach nicht durch wissenschaftliche Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gedeckt. Nicht belegt ist auch, dass die Einnahme von Vitamin C und/oder Zink vor Infekten schützt.

Geradezu unverantwortlich ist es, wenn die Firma Medicon in ihrer Gebrauchsinformation die Nobilin Multivital, Tabletten offenbar besonders Rauchern schmackhaft machen will. Dabei enthält das Nahrungsergänzungsmittel isoliertes Betacarotin, von dem man schon seit Mitte der 90er-Jahre weiß, dass es das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern erhöht. Die Wirkung von isoliertem Betacarotin bei Nichtrauchern ist ungeklärt. Fünf weitere Produkte im Test werden von uns wegen Betacarotin abgewertet. Sie sprechen aber wenigstens nicht gezielt Raucher an.

Ohne Zutatenverzeichnis bringt Anbieter Dr. Hittich seine Dr. Hittich Lebenskraft Multivitamine, Tabletten in den Verkehr. Dabei hätten wir schon gern gewusst, aus welchen „echten und unverfälschten Naturstoffen“ die Tabletten bestehen. Sie sind damit nach unserer Auffassung nicht verkehrsfähig – auch wenn sich von ÖKO-TEST dazu befragte Landesuntersuchungsämter nicht festlegen wollten, da sie das Produkt nicht vorliegen hatten. Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) war auf unsere Anfrage im Jahr 2012 „keine Regelung ersichtlich, die hier eine Ausnahme von den Kennzeichnungsanforderungen der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) und der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) bestimmen könnte“. Und weiter hieß es: „Der Herstellername dieses Produktes ‚Dr. Hittich‘ ist im BVL jedoch hinlänglich bekannt. Die hier angebotenen Produkte erfüllen immer wieder nicht die rechtlichen Anforderungen, sind größtenteils auch nicht im BVL als Nahrungsergänzungsmittel angezeigt. Da die Firma in den Niederlanden ihren Sitz hat, entzieht sich die Überwachung dieser Produkte jedoch der vorrangigen Zuständigkeit der Bundesländer. Anfragen an die zuständige niederländische Behörde blieben bislang ohne Erfolg.“

Produkte mit einem vermeintlichen Depoteffekt oder einer Langzeitwirkung bringen dem Anwender keinerlei Vorteile. Derartige Auslobungen haben, selbst wenn es funktionieren sollte, vor allem marketingtechnische Gründe. Als Deklarationsmängel bewerten wir auch fehlende Altersbeschränkungen: Nach den BfR-Empfehlungen sollten zinkhaltige Produkte Erwachsenen vorbehalten bleiben und solche mit Magnesium nicht von Kindern unter vier Jahren eingenommen werden.

„Öko-Test vom 02.05.14“

„Auszug aus dem Öko-Test 02.05.14“

Original Beitrag auf Facebook ansehen

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

Melden Sie sich für aktuelle Neuigkeiten zu meinen Seminaren und Therapien jetzt an.

    Ihre E-Mail-Adresse wird ausschließlich zum versenden des Newsletter verwendet.
    Weitere Informationen entnehmen Sie der Datenschutzerklärung.
    Ihre Daten werden sicher per https an den Server übermittelt.